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Klimaobstruktion: Die Wetterextreme werden immer katastrophaler – warum gibt es weiterhin keinen Klimaschutz?

Das neue Buch “Climate Obstruction across Europe”, herausgegeben von Robert J. Brulle, J. Timmons Roberts und Mirinda C. Spencer im renommierten Wissenschaftsverlag Oxford University Press, thematisiert die Saboteure des Klimaschutzes und ihre Aktivitäten. Es stellt deren umfassenden und gleichzeitig erschreckenden Einfluss auf Politik und Gesellschaft heraus.

Das komplexe Zusammenwirken von ökonomischen Interessen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und parteipolitischen Kräften unterschiedlicher Couleur wird in den einzelnen Kapiteln herausgearbeitet. Besonders das Wirken ideologischer Think Tanks sowie akademischer Zirkel, die in der Summe den Klimaschutz behindern, wird analysiert.

Die sich beschleunigende Erdüberhitzung ist das Ergebnis mangelnden Klimaschutzes

UN-Generalsekretär António Guterres beschrieb kürzlich, dass dauerhaft unerträgliche Hitze im Sommer zum Normalzustand werden könnte. „Die Krankheit ist die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die Krankheit ist die Untätigkeit in Sachen Klima – und die politischen Führer aller Länder müssen aufwachen und sich engagieren“, sagte Guterres.

In der Tat wurden in mindestens zehn Ländern an mehr als einem Ort Tagestemperaturen von über 50 Grad Celsius gemessen, wie die WMO kürzlich in Genf mitteilte. Im Juli waren Hunderte Millionen Menschen von extremer Hitze betroffen, die so intensiv ist, dass sie kaum zu bewältigen ist.

Auch in Deutschland werden immer mehr Menschen durch extreme Wetterereignisse geschädigt, zum Beispiel durch große Wasserschäden in Häusern und an der Gemeindeninfrastruktur. Aufgrund der zunehmenden Häufigkeit solcher Ereignisse gelangen sie kaum mehr über die lokale Berichterstattung hinaus, obwohl die Betroffenen stark darunter leiden.

Die Klimakatastrophe schlägt aktuell immer härter zu. Eigentlich müssten diese Alarmzeichen zu intensiveren Klimaschutzmaßnahmen in der gesamten Gesellschaft führen – doch das genaue Gegenteil ist der Fall: Wirksame Klimaschutzmaßnahmen rücken in Politik, Medien und Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund.

Klimaschutz wird zunehmend schwächer

Die Bereitschaft in der Bevölkerung, die Nutzung von Erdöl, Erdgas, Kohle und Atomstrom im Energiesektor zu beenden, Biokunststoffe anstelle von fossilem Plastik zu verwenden oder in der Landwirtschaft klimaschonender zu arbeiten, nimmt zunehmend ab. Der Kauf von E-Autos, Wärmepumpen und privaten Solaranlagen in Deutschland geht zurück, die Plastikflut nimmt zu statt ab, und die Bauernverbände haben gerade einen Rollback in der EU-Landwirtschaftspolitik durchgesetzt. Politische Maßnahmen zum Klimaschutz werden immer mehr verwässert, anstatt endlich klare Schritte zu beschließen, um die sich immer schneller aufheizende Atmosphäre abzukühlen.

Dazu zählen die Aufnahme von Erdgas und Atomkraft in den Green Deal der EU-Kommission, der Ausbau von Erdgas-LNG-Terminals in der EU, die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung zum Ausbau neuer Erdgaskraftwerke, der erwähnte Rollback in der EU-Landwirtschaftspolitik, der umfassende politische Druck, das beschlossene Verbot von Verbrennungsmotoren rückgängig zu machen, und die Absichtserklärung der Ampelkoalition, die fördernde Einspeisevergütung im EEG abzuschaffen.

Dass die Klimaschäden immer schlimmer werden, während die Klimaschutzaktivitäten in Politik und Teilen der Gesellschaft immer schwächer, ja sogar wieder zurückgeschraubt werden, ist ein Phänomen, das zunächst schwer zu verstehen ist.

Die fossile Wirtschaft als Obstrukteur des globalen Klimaschutzes

Wer aber wissen möchte, warum gegen jede menschliche Vernunft keine offensive Klimaschutzpolitik und kein umfassendes Mitmachen der Bevölkerung stattfindet, sollte sich anschauen, wer die großen Beeinflusser der Bevölkerung und der politischen Entscheidungsträger sind: Die Konzerne der fossilen und atomaren Wirtschaft in den Bereichen Energie, Chemie, Landwirtschaft, Verkehr, Bauen und anderen. Diese Obstrukteure einer Klimapolitik sind seit Jahrzehnten aktiv. Mit Desinformationskampagnen und dem Leugnen des menschengemachten Klimawandels beeinflussen sie Politik und Medien, um sicherzustellen, dass die Gesellschaft weiterhin ihre klimaschädlichen Produkte kauft und nutzt.

Umfassende universitäre Forschungen haben nun immer gravierendere Aktivitäten dieser Obstrukteure aufgedeckt. Im weltumspannenden Climate Social Science Network (CSSN) forschen Wissenschaftler*innen intensiv nach den Quellen der Klimaobstruktion. Kürzlich wurde in Europa das Buch „Climate Obstruction across Europe“ veröffentlicht.

Untersucht wurden die Länder Großbritannien, Schottland, Irland, Schweden, Deutschland, die Niederlande, Polen, Russland, Tschechien, Italien, Spanien sowie die EU als Ganzes.

Drei Beispiele für Zusammenfassungen in deutscher Übersetzung: EU, Deutschland, Russland

Zur Europäische Union fassen die Autoren Folgendes zusammen:

Angetrieben von fossilen Brennstoffinteressen wenden Tausende von Klimablockaden auslösenden Unternehmen und Wirtschaftslobbys zahlreiche Taktiken an, um den Fortschritt zu unterdrücken, grüne Investitionsmöglichkeiten zu blockieren und die Rolle der EU als globale Vorreiter im Klimaschutz zu gefährden.

Hauptakteure:

Fossile Brennstoffunternehmen und Energieversorger, Automobilhersteller, große Agrarunternehmen, Think Tanks und Industrieverbände (z. B. BusinessEurope, Eurofer).

Taktiken:

  • Lobbyarbeit und politischer Einfluss: Diese Gruppen nutzen ihre erheblichen finanziellen Ressourcen, um durch direkte Lobbyarbeit, politische Briefings und die Teilnahme an öffentlichen Konsultationen Einfluss auf Abgeordnete des Europäischen Parlaments, die Europäische Kommission und andere politische Entscheidungsträger auszuüben.
  • Förderung marktbasierter Mechanismen: Dazu gehören Emissionshandelsverfahren, die zugunsten der beteiligten Industrien manipuliert werden können, ohne die Emissionen oder Geschäftspraktiken wesentlich zu verändern.

Schlüsselnachrichten:

  • „Notwendigkeit fossiler Brennstoffe“: Fossile Brennstoffe werden als wesentlich für die Energiesicherheit und als notwendige „Brückentechnologien“ für den Übergang zu Erneuerbaren Energien dargestellt.
  • Wirtschaftliche Kosten: Betonung der Kosten sauberer Alternativen und Vernachlässigung der Auswirkungen der steigenden Preise für fossile Brennstoffe, die Milliarden von Verbrauchern weltweit betreffen.

Zu Deutschland fassen die Autoren zusammen:

Deutschlands Ambitionen für eine sauberere Zukunft werden von einem Netzwerk von Klimablockern bedrängt, die die Dekarbonisierungsbemühungen geschickt verzögern. Ungebremst drohen sie, eine sicherere und wohlhabendere Zukunft zu gefährden und Deutschlands Position als globaler Vorreiter im Bereich der grünen Technologien zu schwächen.

Hauptakteure:

Produzenten fossiler Energieträger (z. B. RWE, Vattenfall), Industrieunternehmen (z. B. Aurubis AG), Unternehmensverbände (z. B. Verband der Deutschen Automobilindustrie) und Think Tanks (z. B. EIKE).

Taktiken:

  • Medienkampagnen und Greenwashing: Obstrukteure setzen Medienkampagnen ein, um Fehlinformationen über die Kosten und die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Nutzung Erneuerbarer Energien zu verbreiten. Diese werden häufig durch von der Industrie finanzierte Forschung gestützt.
  • Rechtsextremistische Mobilisierung: Rechtsextremistische Organisationen nehmen den Klimaschutz als Teil ihrer breiteren ideologischen Agenda ins Visier, organisieren Gegendemonstrationen und fördern Gewalt gegen Klimaaktivisten.

Schlüsselnachrichten:

  • Absenkung der Ambitionen hinsichtlich der Klimaziele: Die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen wird heruntergespielt, indem die Messlatte für notwendige Emissionsreduktionen gesenkt wird und auf das 2-°C-Ziel anstelle des 1,5-°C-Ziels des Pariser Abkommens verwiesen wird.
  • Kritik an Klima-Regulierungsansätzen: Der Think Tank Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) stellt Regulierungsmaßnahmen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) irreführend als Hindernis für den Klimaschutz dar.

Zu Russland lautet die Zusammenfassung der Autoren:

In Russland nutzt ein Netzwerk von Klimaverhinderern verschiedene Taktiken, um die Dringlichkeit des Klimawandels herunterzuspielen. Dazu gehören unter anderem die Kontrolle der Medien und die Verwendung geopolitischer Narrativen.

Hauptakteure:

Regierung und politische Führer, Staatlich kontrollierte Medien, Industrie (einschließlich Gazprom, Rosneft) und eine Minderheit von Wissenschaftlern, die ihre Verleugnung aus ideologischen Gründen rechtfertigen

Taktiken:

  • Kontrolliertes Medien-Ökosystem: Die Medien spielen die Dringlichkeit der Auseinandersetzung mit dem Klimawandel häufig herunter oder ignorieren sie vollständig. Dies unterstützt die Regierungsinteressen, die mit der Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen verbunden sind.
  • Regulierungserfassung im Bereich fossiler Brennstoffe: Der Einfluss der fossilen Brennstoffindustrie auf die Regierungspolitik führt dazu, dass die Klimapolitik verwässert oder verschoben wird.

Schlüsselnachrichten:

  • „Klimapolitik als westliche Dominanz“: Internationale Klimaabkommen werden als Instrumente westlicher Hegemonie dargestellt, die die russische Souveränität bedrohen.
  • „Russland als ökologischer Geber“: Der globale ökologische Einfluss des Landes aufgrund seiner riesigen Wälder wird überbewertet, mit der Begründung, dass das Land bereits erheblich zur Kohlenstoffaufnahme beigetragen habe.

Das Buch ist ein Offenbarungseid des Versagens der gesamten Gesellschaft und der demokratisch gewählten Regierungen in Europa. Es belegt den umfassenden Kniefall großer Teile von Gesellschaft, Politik, Medien und Wissenschaft vor den Verkaufsinteressen der Konzerne des fossilen und atomaren Wirtschaftsapparates.

Es wird Zeit, dass wir alle aufstehen, um diesem Würgegriff der fossilen Konzerne zu entkommen, damit wir nicht allesamt den Weg in die Klimahölle (Guterres) weiter und beschleunigt beschreiten.

Das Buch „Climate Obstruction across Europe“ bietet eine hervorragende Grundlage, um die Strategien und Methoden der Klimaobstrukteure zu erkennen und ihnen mit diesem Wissen endlich das Handwerk zu legen.

Quelle: www.hans-josef-fell.de 

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